Wenn sich irgendwo eine neue Technologie etabliert, dann wäre es Anspruch, dass solche Technik zumindest in ihrem Grundprinzip verstanden wird. Die Erfahrung zeigt, dass es hier eine gigantische Phasenverschiebung des Verständnisses zwischen den real laufenden Experimenten in Teilchenbeschleunigern wie dem LHC von CERN bei Genf und dem Denken von ansonsten durchaus gebildeten Menschen gibt. Wenn noch begriffen wird, dass in einem Ringbeschleuniger oder Synchrotron Teilchenpakete kreisförmig mit hoher Geschwindigkeit umlaufen und zur Kollision gebracht werden, dann hört es mit den Erklärungen schnell auf, wenn nach der Auswertung solcher Kollisionen mit Hilfe von Detektoren gefragt wird. In diesem Sinne sei die Hoffnung ausgesprochen, dass etwas mehr Kenntnis auch in die Diskussionen des Internets einfließt, wenn die Grundlagen besser verstanden werden. Wobei diese Beschleuniger-Technologie ein weites Feld ist, das nicht eben mal auf die schnelle komplett kapiert werden kann - aber step by step wird es vielleicht doch zur Normalität gehören, dass man weiß, was da unter dem Erdboden kreist und passiert und per Detektor ausgewertet wird.
Siehe auch Blogeintrag:
http://gerhardkemme.blogspot.com/2010/05/synchrotron.html
Einführung
Bei früheren Teilchenexperimenten genügte meist ein einzelner Detektor, um Messergebnisse wie Flugbahn, d.h. Ort, oder elektrische Ladung zu erhalten. So benutzte Ernest Rutherford bei seinem berühmten Streuexperiment einen einfachen Zinksulfid-Schirm zur Registrierung der an der Goldfolie gestreuten a-Teilchen.
Moderne Hochenergieexperimente erzeugen hingegen eine so große Menge und Vielfalt an Teilchen, dass ein einzelner Detektor nicht mehr zur Detektierung aller Teilchen mitsamt ihrer Eigenschaften, d.h. Energie, Impuls, Ort, Ladung, ausreicht. Aus diesem Grund bestehen heutige Experimente aus mehreren einzelnen Detektoren, die zu einem sogenannten Großdetektor zusammengebaut werden, z.B. den ATLAS-Detektor von CERN. Jeder Großdetektor besteht aus einzelnen Detektoren bzw. Detektorkomponenten.
Wirkungsweise eines Großdetektors
Um die bei Kollisionsexperimenten entstandenen Teilchen zu registrieren, werden Großdetektoren eingesetzt. Diese bestehen aus mehreren einzelnen Detektoren. Die einzelnen Komponenten des Großdetektors werden schichtweise angeordnet. Im Fall von kollidierenden Teilchenstrahlen werden Großdetektoren um den Kollisionspunkt herum schichtweise aufgebaut. Im Fall des Beschusses eines festen Targets mit einem Teilchenstrahl (fixed target experiment) wird der Großdetektor hinter dem Kollisionspunkt (Target) gebaut, da aufgrund der Impulserhaltung die neu entstehenden oder abgelenkten Teilchen nach hinten fliegen.
Die schichtweise Abfolge der verschiedenen einzelnen Detektoren im Großdetektor ist immer ähnlich und geht vom Kollisionspunkt aus zum Ersten Spurdetektor, Zweiten Spurdetektor, Elektromagnetischen Kalorimeter, Hadronischen Kalorimeter und dann zu den Zählern, d.h. solche Vielzweck-Detektoren sind von innen nach außen in drei Bereiche gegliedert. Der innere Detektor dient der Messung von Teilchenspuren. In der Mitte befinden sich Kalorimeter zur Bestimmung der Energie der Teilchen. Daran schließen sich außen die so genannten Myonkammern an, mit denen Myonen, die schweren Vettern der Elektronen, aufgespürt werden. Ein solcher Vielzweck-Detektor befindet sich in einem sehr starken Magnetfeld, das die Bahnen der entstehenden Teilchen krümmt. Das Magnetsystem setzt sich dabei aus verschiedenen Elementen zusammen.
Erster Spurdetektor
Der erste Spurdetektor dient der Aufzeichnung der Bahn, bzw. Spur, der entstandenen Teilchen mit einer hohen Ortsauflösung. Häufig wird mit einem Elektromagneten ein starkes Magnetfeld, ca. 1 bis 2 Tesla, erzeugt, so dass geladene Teilchen eine Kreisbahn durchfliegen. Aus dem Bahnradius kann der Impuls der Teilchen bestimmt werden. Als erste Spurdetektoren werden mehrere Schichten von Halbleiterdetektoren oder Driftkammern verwendet, da diese die größte Ortsauflösung besitzen:
- Halbleiterdetektoren, d.h. Zähldioden, Sperrschichtzähler, besitzen eine bessere Energieauflösung als Ionisationskammern, da sie Teilchen mit geringerer Energie detektieren können. Sie sind meist als dünne Halbleiterplättchen ausgebildet, die einen pn-Übergang enthalten. Zwischen dem n- und p-Leiter bildet sich eine ladungsträgerfreie Zone aus. Diese wird durch Anlegen einer Spannung in Sperrrichtung vergrößert. Dringt ein ionisierendes Teilchen in diese Zone ein, erzeugt es Paare von Elektronen und Löchern. Die dafür benötigte Energie beträgt ca. 1eV und liegt im Vergleich zur Ionisationsenergie eines Gasmoleküls (ca. 30eV) viel niedriger. Die Energieauflösung des Halbleiterdetektors ist somit größer. Die Idee der Halbleiterdetektoren ist die der Ionisationskammern. Ein geladenes Teilchen, welches sich durch ein Halbleiter bewegt, erzeugt entlang seiner Bahn Ionenpaare. Die Ionisationsenergie ist sehr niedrig, so dass Elektronen nicht vollständig abgetrennt werden. Das elektrische Feld bewirkt eine Bewegung der Ionenpaare zu den jeweils gegenteilig geladenen Schichten. Dies liefert einen elektrischen Impuls, der gemessen werden kann. Neben der niedrigen Ionisationsenergie besitzt der Halbleiterdetektor einen weiteren Vorteil gegenüber der Ionisationskammer. Die Dichte des Halbleiters ist sehr viel größer als von jedem Gas. Dadurch geben die einfallenden Teilchen einen großen Teil ihrer Energie ab. Auf der anderen Seite kann der Halbleiterdetektor nicht ein so großes Volumen abdecken, wie ein Szintillator, während seine Energieauflösung viel höher ist. Das gemessene Signal ist proportional zur Energie, die in der ladungsträgerfreien Zone abgegeben wurde.
- Man unterscheidet zwei Arten von Drahtkammern: Proportionalkammern und Driftkammern. Die Proportionalkammer ist eine Art verbesserte Ionisationskammer. Sehr viele abwechselnd positiv und negativ geladene Drähte ersetzten die bei der Ionisationskammer verwendeten Kondensatorplatten. Beim Druchgang durch die Kammer löst ein Teilchen eine Folge von Entladungen zwischen benachbarten Drähten aus. Mit Hilfe des Computers kann man daraus die Bahn des Teilchen oder Teilchenbündels rekonstruieren. Die Drähte der Proportionalitätskammer sind in mehreren Schichten angeordnet, wobei die positiv geladenen Anodendrähte im einfachsten Fall senkrecht zu den negativ geladenen Kathodendrähten verlaufen. Die Drähte befinden sich in einer leicht zu ionisierenden Gasatmosphäre. Durchfliegt ein Teilchen den Detektor, erzeugt es Ionen und Elektronen. Diese Ladungsträger bewegen sich aufgrund des elektrischen Feldes zu den Drähten. In den Drähten, die sich in der Nähe der Teilchenbahn befinden, wird ein Signal erzeugt, das die Messelektronik registriert. Aus diesen Informationen kann die Flugbahn des Teilchens bestimmt werden.
- Die Driftkammer ist wie eine Proportionalitätskammer aufgebaut, doch wird die Struktur des elektrischen Feldes so geändert, dass man ein konstantes elektrisches Feld senkrecht zur Einflugrichtung erhält. Dies wird durch Einfügen von sogenannten Feldformungsdrähten erreicht. Die durch Ionisation entstandenen Elektronen driften daher mit konstanten und geringen Geschwindigkeiten (ca. 50 mm/ms). In der Nähe der Anodendrähte herrscht ein starkes elektrisches Feld. Dort kommt es durch Sekundärionisation zu einer Vervielfachung des Signals. Aus der bekannten Driftgeschwindigkeit kann der ungefähr gedriftete Weg bestimmt werden. Die Driftkammern erreichen so eine höhere Ortsauflösung als Proportionalitätskammer.
Kalorimeter - allgemein
Kalorimeter (oder Schauerzähler) sind Detektoren, mit denen die Energie und die Art von Teilchen bestimmt werden kann. Ihr Vorteil besteht darin, dass sie auch gegenüber ungeladenen Teilchen empfindlich sind.
In Kalorimetern wird die elektromagnetische und starke Wechselwirkung von Elementarteilchen mit Materie ausgenutzt. Sie bestehen aus passiven Materieplatten, z.B. Blei, Eisen, Uran, in denen die Wechselwirkung stattfindet, und die so als Absorptionsmaterial wirken, und dazwischenliegenden aktiven Detektorelementen (Szintillatoren), an die Photomultiplier angebracht werden.
Neben Matrizen aus Szintillationszählern werden auch Halbleiterdetektoren und seltener auch Drahtkammern eingesetzt. Siehe Halbleiterdetektoren, siehe Drahtkammern.
- Szintillationszähler. Die ersten Beobachtungen einzelner Teilchen wurden mit Hilfe von Szintillatormaterial (z.B. ZnS, Zinksulfid) gemacht. Energiereiche Teilchen, die in Szintillatormaterial eindringen, geben ihre kinetische Energie schrittweise fast vollständig an das Material ab. Dieses gibt die Energie wiederum in Form von sichtbarem Licht ab. Durch ein starkes Mikroskop kann man dieses als schwache Lichtblitze beobachten. Auf diese Weise, d.h. durch die Beobachtung von Lichtblitzen mit einem Mikroskop, wurde die Detektierung der a-Teilchen durchgeführt, die Rutherford bei seinem Streuexperiment verwendete. Heute läßt man das Licht auf die Photokathode eines Photomultipliers treffen und das verstärkte Signal durch eine Zählelektronik aufzeichnen. Aus der Stärke des Signals lässt sich die Energie der verursachenden Teilchen bestimmen. Um zur Energieauflösung zusätzlich eine Ortsauflösung zu erhalten, werden mehrere Szintillationszähler zu einer Matrix (array) zusammengefasst. Über mehrere Messkanäle werden die einzelnen Daten ausgewertet und die Flugbahn der detektierten Teilchen rekonstruiert.
- Ionisationskammer. Ionisationsdetektoren dienen zur Messung der Energie, die ein Teilchen beim Durchqueren eines Mediums durch Ionisation verliert. Ionisationskammern bestehen aus einer mit Gas gefüllten Kammer und zwei Kondensatorplatten. An den Platten liegt eine elektrische Spannung an. Tritt ein ionisierendes Teilchen in das Medium ein, erzeugt es auf seiner Flugbahn Elektronen-Ionen-Paare. Durch die anliegende Spannung werden die Ladungsträger getrennt und driften sofort entlang der elektrischen Feldlinien. Die Bewegung der Ladungsträger wird als Stromstoß registriert. Im Einzelnen: Die Vorgänge sowie die Verwendung des Zählrohres hängen vor allem von der Spannung ab, die zwischen Anodendraht und Kathode anliegt. Dringt ionisierende Strahlung in das Zählrohr ein, so wird das Füllgas längs der Teilchenbahn ionisiert, wobei die Zahl der erzeugten Elektronen proportional zur Energie des einfallenden Teilchens ist. Liegt nun zwischen Anode und Kathode eine Spannung an, so werden die erzeugten Elektronen zur Anode hin beschleunigt. Ist diese Spannung jedoch zu gering, rekombiniert ein Teil der Elektronen auf dem Weg zur Anode wieder mit dem Füllgas und das Signal gibt keine Aussage über die Energie der detektierten Teilchen (Rekombinationsbereich). Erhöht man nun die Spannung, so werden irgendwann alle primär erzeugten Elektronen die Anode erreichen. Der gemessene Strom ist damit proportional zur Energie der einfallenden Strahlung. In diesem Bereich arbeiten zum Beispiel Ionisationskammern zur Messung der primären Dosisleistung der Strahlung. Bei einer weiteren Erhöhung der Spannung haben die primären Elektronen so viel Energie, dass sie durch Stöße mit den Atomen des Füllgases weitere Elektronen auslösen können. So entstehen sogenannte Elektronenlawinen mit 106 Sekundärelektronen. Die Größe des gemessenen Stroms ist aber weiter proportional zur Energie der einfallenden Strahlung (Proportionalbereich), da immer a Elektronen pro primärem Elektron entstehen. Ab einer bestimmten Spannung löst jedes einfallende Teilchen eine Kaskade von Sekundärteilchen aus, die das Zählrohr „sättigt“; jedes Teilchen erzeugt unabhängig von seiner Energie den gleichen Strom im Zählrohr. Dieser Bereich ist der eigentliche Zählbereich (auch Plateaubereich, Geiger-Müller Bereich) und wird zum Zählen der Teilchen verwendet. In diesem Bereich entstehen neben den Sekundärelektronen auch Photonen, die im gesamten Gasraum und an der Zählrohrwand weitere Elektronen auslösen (Photoeffekt). So wird das gesamte Zählrohr von der Entladung erfasst – d. h. jedes radioaktive Teilchen löst eine Entladung aus und kann so auch registriert werden. Eine weitere Erhöhung der Spannung führt zu einer Gasentladung, die nicht mehr selbstständig verlöscht und somit zu einer Zerstörung des Zählrohrs führt. Es ist somit essentiell wichtig, den Arbeitsbereich des Zählrohrs, d. h. die Spannung, die zwischen Kathode und Anode anliegt, dem Einsatzzweck anzupassen, um verwertbare Ergebnisse zu erhalten. Durch Variation der angelegten Spannung erhält man unterschiedlich wirkende Detektoren. Ionisationskammern werden meist als Geiger-Müller-Zähler verwendet, um Strahlung zu detektieren. In Großdetektoren werden häufig Drahtkammern verwendet, deren Funktionsweise beruht auf dem Prinzip der Ionisationskammern. Manchmal verwendet man auch Proportionalitätsröhren, die als Matrix angeordnet werden, um eine zusätzliche Ortsauflösung zu erhalten.
Elektromagnetisches Kalorimeter
Im elektromagnetischen Kalorimeter wechselwirken die Teilchen mit dem Absorptionsmaterial und geben dabei Energie ab. Elektronen, Positronen und Photonen verlieren ihre Energie durch Bremsstrahlung, Paarbildung und Ionisation (elektromagnetische Wechselwirkungen). Sie verlieren ihre ganze Energie und werden absorbiert.
Hadronisches Kalorimeter
Im hadronischen Kalorimeter sind die Absorptionschichten dicker, so dass auch Hadronen ihre gesamte Energie abgeben und absorbiert werden. Hadronen verlieren ihre Energie hauptsächlich durch mehrfache Kernstöße (Kernwechselwirkungen). Zu den Hadronen zählen z.B. Protonen und Neutronen.
Zähler
Der Zähler registriert Teilchen, die von keinem der anderen Detektoren absorbiert wurden, z.B. Müonen. Die Zähler sind wie Kalorimeter aufgebaut. Siehe Szintillationszähler.
- Der Cerenkov-Detektor (Cerenkov- Zähler) besteht aus einem Material mit hohem Brechungsindex, in dem Teilchen mit einer Geschwindigkeit, die größer als die materialspezifische Lichtgeschwindigkeit ist, Lichtkegel erzeugen. Mit Hilfe dieses Detektors können einzelne Teilchenarten unterschieden und ihre Energie bestimmt werden. Eine Schallquelle, die sich schneller als der Schall in Luft bewegt, erzeugt einen Machschen Kegel. Ähnlich hierzu erzeugt ein elektrisch geladenes Teilchen eine sich mit einer kegelförmigen Front ausbreitende elektromagnetische Welle, wenn es sich schneller als mit der materialspezifischen Lichtgeschwindigkeit durch ein Medium bewegt. Mit Hilfe eines Photomultipliers, kann diese Strahlung, d.h. die sogenannte. Cerenkov- Strahlung oder das Cerenkov-Licht, und somit das Teilchen detektiert werden. In dem durchflogenen Medium sind vier kreisförmige Lichtwellenfronten. Sie symbolisieren die durch das Teilchen erzeugte Cerenkov-Strahlung. Die Einhüllende dieser Kreise bildet die Wellenfront des Cerenkov-Lichts. Der Öffnungswinkel a kann aus der Vakuumlichtgeschwindigkeit c, dem Brechungsindex n des Mediums und der Teilchengeschwindigkeit v berechnet werden: sin (a) = c/v = c_o/(n*v) Der Öffnungswinkel a entspricht dem des Machschen Kegels. Der Cerenkov- Detektor wird vom begrenzten, in Vorwärtsrichtung abgestrahlten Cerenkov-Lichtkegel ringförmig beleuchtet. Aus dem Durchmessers des Rings kann der Winkel q bestimmt werden. Aus 90° - q = a folgt sofort a. Zum Vermessen des Ringdurchmessers wird nicht nur ein sondern eine ganze Matrix aus Photomultipliern verwendet. Aus dem Durchmesser erhält man q und somit die Teilchengeschwindigkeit. Dieses Verfahren wird z.B. am DESY mit Hilfe des RICH Detektors durchgeführt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen